Johannes Kepler 1610

Johannes Kepler 1610

Johannes Kepler (lateinisch Ioannes Keplerus, auch Keppler; * 27. Dezember 1571 in Weil der Stadt; † 15. November 1630 in Regensburg) war ein deutscher Naturphilosoph, Mathematiker, Astronom, Astrologe, Optiker und evangelischer Theologe.

Johannes Kepler entdeckte die Gesetze der Planetenbewegung, die nach ihm Keplersche Gesetze genannt werden. In der Mathematik wurde ein numerisches Verfahren zur Berechnung von Integralen nach ihm Keplersche Fassregel benannt. Mit seiner Einführung in das Rechnen mit Logarithmen trug Kepler zur Verbreitung dieser neuen Rechenart in Deutschland bei. Auch machte er die Optik zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung und half, die mit dem Teleskop gemachten Entdeckungen seines Zeitgenossen Galileo Galilei zu beweisen.

In seiner Laufbahn war Kepler Mathematiklehrer an der protestantischen Stiftsschule in Graz. Ihr gegenüber stand die katholische Universität von Graz. Kepler war in Prag Assistent von Tycho Brahe, Kaiserlicher Mathematiker bis zu seinem Tod, zunächst unter Rudolf II., dann unter dessen Nachfolger Landesmathematiker in Linz und Hofastrologe von General Wallenstein.

Heute wird Kepler hauptsächlich als einer der Begründer der modernen Naturwissenschaften wahrgenommen, doch sein Leben war geprägt von tiefer Glaubensüberzeugung und sein Weltbild beruhte auf der hermetischen Tradition, die sich von Pythagoras Harmonien im All über Platons Mathematik ist Alles bis zu dem von Dionysios zitierten Hermes Trismegistos erstreckte. In dieser Tradition gab es Fernwirkungen und Harmonien, die aus moderner Sicht mittelalterlich-okkult erscheinen mögen – für Kepler war seine Weltanschauung logisch, einfach und klar.

Seine Entdeckung der drei Planetengesetze machte aus dem mittelalterlichen Weltbild, in dem körperlose Wesen die Planeten einschließlich Sonne in stetiger Bewegung hielten, ein dynamisches System, in dem die Sonne durch Fernwirkung die Planeten aktiv beeinflusst. Er selbst allerdings nannte sie nie „Gesetze“; sie waren in seinen Augen vielmehr Ausdruck der Weltharmonie, die der Schöpfer seinem Werk mitgegeben hatte. Aus seiner Sicht war es auch göttliche Vorsehung, die den Theologiestudenten zum Studium der Gestirne führte. Die natürliche Welt war ihm ein Spiegel, in dem die göttlichen Ideen sichtbar werden konnten, der gottgeschaffene menschliche Geist dazu da, sie zu erkennen und zu preisen.

Kepler ging von dem Gedanken ab, das kopernikanische System sei lediglich ein (hypothetisches) Modell zur einfacheren Berechnung der Planetenpositionen. Das heliozentrische Weltbild als eine physikalische Tatsache zu sehen stieß nicht nur bei der katholischen Kirche, sondern auch bei Keplers protestantischen Vorgesetzten auf erbitterten Widerstand. Denn auf beiden Seiten galten die Lehren von Aristoteles und Ptolemäus als unantastbar.

Leben

Kindheit und Ausbildung (1571 bis 1594)

Johannes Kepler wurde am 27. Dezember 1571 in der freien Reichsstadt Weil der Stadt geboren. Sie ist heute Teil des Großraums Stuttgart und liegt 30 Kilometer westlich des Stadtzentrums von Stuttgart. Sein Großvater war Bürgermeister dieser Stadt. Im Zeitraum von Johannes Keplers Geburt befand sich die Familie im wirtschaftlichen Niedergang. Sein Vater verdiente einen unsicheren Lebensunterhalt als Händler und verließ die Familie, als Johannes fünf Jahre alt war. Seine Mutter Katharina, eine Gastwirtstochter, war eine Kräuterfrau und wurde später der Hexerei angeklagt. Als Frühgeburt wurde Johannes immer als schwaches und krankes Kind bezeichnet. 1575 überstand er eine Pockenerkrankung, die jedoch bleibend sein Sehvermögen beeinträchtigte. Trotz seines schlechten Gesundheitszustandes war er frühreif und beeindruckte Reisende im Gasthaus seiner Mutter oft mit seinen mathematischen Fähigkeiten. Keplers Mutter weckte schon früh sein Interesse für Astronomie. Sie zeigte ihm den Kometen von 1577 und die Mondfinsternis von 1580. Johannes Kepler wohnte von 1579 bis 1584 mit seinen Eltern in Ellmendingen, wo sein Vater das Gasthaus „Sonne“ gepachtet hatte. Kepler besuchte die erste Klasse der Lateinschule in Leonberg, und die zweite Klasse der Lateinschule in Ellmendingen. Im Jahr 1580 und 1581 muss er die Schulausbildung unterbrechen. 1582 besucht er die dritte Klasse der Lateinschule, „da er sonst zu nichts taugt“. Kepler besuchte ab 1584 (16. Oktober) die Klosterschule in Adelberg, von 1586 (26. November) an die höhere evangelische Klosterschule (Gymnasium) im ehemaligen Kloster Maulbronn. Trotz bescheidener familiärer Verhältnisse begann er 1589 ein Theologiestudium am Evangelischen Stift in Tübingen. Er studierte bei dem Mathematiker und Astronomen Michael Mästlin. Er sah sich selbst als überragenden Mathematiker und erwarb sich den Ruf eines geschickten Astrologen. Unter der Anleitung von Michael Mästlin lernte er das heliozentrische System der Planetenbewegungen des Nikolaus Kopernikus kennen. Er wurde zum Kopernikaner und verteidigte das kopernikanische Weltbild sowohl von einer theoretischen als auch von einer theologischen Sicht in Debatten der Studenten. Während des Studiums freundete er sich mit dem Juristen Christoph Besold an.

Kepler in Graz (1594 bis 1600)

Kepler wollte ursprünglich protestantischer Geistlicher werden. 1594 nahm er jedoch im Alter von 23 Jahren einen Lehrauftrag für Mathematik an der evangelischen Stiftsschule in Graz an. Diese Hochschule war das protestantische Gegenstück zur Universität, die von Jesuiten geleitet wurde und der Motor der Gegenreformation war. In Graz begann Kepler mit der Ausarbeitung einer kosmologischen Theorie, die sich auf das kopernikanische Weltbild stützte. 1597 veröffentlichte er sie als Mysterium Cosmographicum. Im April desselben Jahres heiratete er Barbara Mühleck, eine Müllerstochter, die eine Tochter aus einer früheren Ehe mitbrachte und mit der er vier Kinder hatte, von denen zwei überlebten. Im Dezember 1599 lud Tycho Brahe Kepler ein, mit ihm in Prag zu arbeiten. Durch die Gegenreformation war Kepler gezwungen, Graz zu verlassen und traf 1600 mit Brahe zusammen.

Kaiserlicher Hofmathematiker in Prag (1600 bis 1612)

Bereits in den 1590er Jahren schrieb Kepler Briefe an Galileo Galilei, der ihm allerdings nur einmal ausführlich antwortete. 1600 nahm er eine Stellung als Assistent von Tycho Brahe an. Die Zusammenarbeit der beiden Wissenschafter in Prag und Schloss Benatek war aber nicht leicht, obwohl sich ihre verschiedenen Begabungen ergänzten. Brahe war ein exzellenter Beobachter, seine mathematischen Fähigkeiten waren jedoch begrenzt. Der hervorragende Mathematiker Kepler hingegen konnte wegen seiner Fehlsichtigkeit kaum präzise Beobachtungen durchführen. Brahe fürchtete allerdings, mit seinem umfangreichen Lebenswerk, den Aufzeichnungen astronomischer Beobachtungen der Planetenbahnen und hunderter Sterne, allein Keplers Ruhm zu begründen. Hinzu kam, dass Brahe die astronomischen Ansichten Kepler (und Kopernikus) nur ansatzweise teilte.

Nach Brahes Tod im Jahre 1601 wurde Kepler kaiserlicher Hofmathematiker. Diesen Posten hatte er während der Herrschaft der drei habsburgischen Kaiser Rudolf II., Matthias I. und Ferdinand II. inne. Als kaiserlicher Hofmathematiker übernahm Kepler die Zuständigkeit für die kaiserlichen Horoskope und den Auftrag, die Rudolfinischen Tafeln zu erstellen.

Indem er mit Brahes umfangreicher Sammlung von sehr genauen Beobachtungsdaten arbeitete, wollte Kepler seine früheren Theorien verbessern, musste sie aber angesichts der Messdaten verwerfen. Er begann daraufhin mit der Entwicklung eines astronomischen Systems, das erstmals keine Kreisbahnen für die Planeten benutzte. Nach langer Suche, welche Form vor allem die ziemlich exzentrische Marsbahn wirklich hätte, vollendete er 1606 die Arbeit und veröffentlichte sie 1609 als Astronomia nova. Das Buch enthielt das erste und zweite keplersche Gesetz.

Im Oktober 1604 beobachtete Kepler eine Supernova, die später Keplers Stern genannt wurde. 1611 veröffentlichte Kepler eine Monografie über die Entstehung der Schneeflocke, das erste bekannte Werk zu diesem Thema. Er vermutete richtig, dass ihre hexagonale Gestalt von der Kälte herrührt, konnte sie aber noch nicht physikalisch begründen. 1611 veröffentlichte Kepler außerdem eine Schrift zur Dioptrik und zum später so genannten keplerschen Fernrohr. Im Jahr 1612 starb der Kaiser, und um den wachsenden religiösen Spannungen zu entfliehen, nahm Kepler den Posten eines oberösterreichischen Provinzmathematikers (Landvermessers) in Linz an.

Kepler in Linz (1612 bis 1627)

1611 starben seine Frau Barbara und einer seiner Söhne. An der Universität Tübingen hielt man wenig von seinen Ansichten, da er vom Weltbild des Aristoteles abwich. Man ließ ihn nicht als Professor zu. Ein Jahr später nahm er eine Stelle als Mathematiker in Linz an, die er bis 1626 behielt. Im Jahr 1613 heiratete er die Eferdinger Bürgerstochter Susanne Reuttinger. Von den sechs Kindern, die sie bekamen, überlebte nur eines.

Von 1615 an musste er sich um die Verteidigung seiner Mutter Katharina kümmern, die unter dem Verdacht der Hexerei eingekerkert war. In einer Romanfigur in Keplers Schrift Somnium („Der Traum“), der eine magische Reise zum Mond beschreibt, meinte die Anklage Keplers Mutter wiederzuerkennen. Im Oktober 1621 erreichte er ihre Freilassung. Dabei kam ihm ein juristisches Gutachten der Universität Tübingen zu Hilfe, das vermutlich auf seinen Studienfreund Christoph Besold zurückgeht. Keplers Mutter starb schon ein Jahr später an den Folgen der Folter.

In Linz häuften sich die Probleme. Kepler hatte Schwierigkeiten, seine Geldforderungen einzutreiben. Seine Bibliothek wurde zeitweise beschlagnahmt, seine Kinder zur Teilnahme an der katholischen Messe gezwungen. Die Familie flüchtete nach Ulm. Eine Professur in Rostock kam nicht zustande.

Kepler und Wallenstein (1627 bis 1630)

Im Jahr 1627 fand er in Albrecht von Wallenstein einen neuen Förderer. Dieser erwartete von Kepler zuverlässige Horoskope und stellte im Gegenzug in Sagan (Schlesien) eine Druckerei zur Verfügung. Als Wallenstein im August 1630 jedoch seine Funktion als Oberbefehlshaber verlor, reiste Kepler nach Regensburg.

Nach wenigen Monaten Aufenthalt starb er dort im Alter von 58 Jahren. Sein Sterbehaus ist heute eine Gedenkstätte. Sein Grab auf dem Regensburger Petersfriedhof ging in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs unter. 1806/08 wurde in der Nähe zum Grab von Emanuel d’Herigoyen ein Denkmal errichtet.

Die selbstverfasste Grabinschrift lautet:

„Mensus eram coelos, nunc terrae metior umbras.
Mens coelestis erat, corporis umbra iacet.“

„Die Himmel hab ich gemessen, jetzt mess ich die Schatten der Erde.
Himmelwärts strebte der Geist, des Körpers Schatten ruht hier.“

Werk

Grundlegende Ansichten

Kepler lebte zu einer Zeit, in der zwischen Astronomie und Astrologie noch nicht eindeutig getrennt wurde. Jedoch gab es eine strikte Trennung zwischen Astronomie/Astrologie, einem Zweig der Mathematik innerhalb der freien Künste, und der Physik, einem Teil der Philosophie. Er brachte auch religiöse Argumente in sein Werk ein, so dass die Basis vieler seiner wichtigsten Beiträge im Kern theologisch ist. In seiner Zeit tobte der Dreißigjährige Krieg zwischen katholischen und protestantischen Parteien. Da Kepler mit keiner der beiden Seiten übereinstimmte und sowohl Protestanten als auch Katholiken zu seinen Freunden zählte, musste er mit seiner Familie mehrmals vor Verfolgung fliehen. Kepler war ein tief religiöser Mensch, so schrieb er: Ich glaube, dass die Ursachen für die meisten Dinge in der Welt aus der Liebe Gottes zu den Menschen hergeleitet werden können.

Kepler war ein pythagoreischer Mystiker. Er glaubte, dass die Grundlage der Natur mathematische Beziehungen seien und alle Schöpfung ein zusammenhängendes Ganzes. Diese Auffassung stand im Gegensatz zur Platonischen und Aristotelischen Lehre, wonach die Erde grundsätzlich verschieden vom Rest des Universums sei, dass sie aus anderen Substanzen bestehe und auf ihr andere Gesetze gelten sollten. In der Erwartung, universelle Gesetze zu entdecken, wandte Kepler irdische Physik auf Himmelskörper an. Er hatte Erfolg; seine Arbeit ergab die drei keplerschen Gesetze der Planetenbewegung. Kepler war auch davon überzeugt, dass Himmelskörper irdische Ereignisse beeinflussen. Ein Ergebnis seiner Überlegungen war die richtige Einschätzung der Rolle des Mondes auf die Entstehung der Gezeiten, Jahre vor Galileis falscher Formulierung. Des Weiteren glaubte er, dass es eines Tages möglich sein werde, eine „wissenschaftliche“ Astrologie zu entwickeln, trotz seiner generellen Abneigung gegenüber der Astrologie seiner Zeit.

Astronomia Nova

Kepler erbte von Tycho Brahe eine Fülle von sehr genauen Datenreihen über die Position der Planeten. Die Schwierigkeit war, darin einen Sinn zu erkennen. Die Umlaufbewegung der anderen Planeten wird von der Erde betrachtet, die selbst die Sonne umkreist. Wie in dem Beispiel weiter unten gezeigt wird, kann dies dazu führen, dass die anderen Planeten anscheinend Schleifen vollführen. Kepler konzentrierte sich darauf, die Marsbahn zu verstehen, doch zunächst musste er die Bewegung der Erde genau kennen. Dafür brauchte er eine Vermessungslinie. Er benutzte Mars und Sonne als Basislinie, ohne die genaue Umlaufbahn des Mars zu kennen. So wurden die Positionen der Erde berechnet, und von diesen der Umlauf des Mars. So konnte er seine Planetengesetze ohne Kenntnis der genauen Abstände der Planeten von der Sonne ableiten, weil seine geometrische Analyse nur das Verhältnis ihrer Abstände brauchte.

Im Gegensatz zu Brahe glaubte Kepler an das heliozentrische System. Ausgehend von diesem Gerüst verbrachte er zwanzig Jahre mit sorgfältigen Versuchen und Überprüfungen, um den Daten einen Sinn zu geben. Nach etwa zehn Jahren fand er die ersten beiden der drei Planetengesetze.

Als Nachfolger Brahes erhielt Kepler vollen Zugang zu dessen Aufzeichnungen. Im Jahr 1600 war das Werk des englischen Arztes William Gilbert De Magnete, Magneticisque Corporibus, et de Magno Magnete Tellure („Über den Magneten, Magnetische Körper und den großen Magneten Erde“) erschienen, dessen Theorien zur magnetischen Anziehung Kepler sofort akzeptierte. Auf diese Weise gelangte er zu der Auffassung, die Sonne übe eine in die Ferne wirkende Kraft aus, die mit wachsender Entfernung abnehme und die Planeten auf ihren Umlaufbahnen halte, die Anima motrix. Dies war zu seiner Zeit ebenso spekulativ wie die Vermutung, zwischen den Bahnen der Himmelskörper und den platonischen Körpern bestehe ein innerer Zusammenhang. Der Gedanke der Fernwirkungskraft zusammen mit der Auswertung der Brahe-Beobachtungen führte Kepler zu der Entdeckung, dass die Bahn des Mars kein Kreis, sondern eine Ellipse ist. Dies ist nicht offensichtlich, da die Ellipsenbahnen der großen Planeten fast kreisförmig verlaufen. Kepler bemerkte auch, dass die Ellipse so im Raum angeordnet ist, dass einer ihrer Brennpunkte stets mit der Sonne zusammenfällt (erstes keplersches Gesetz). Der zweite von ihm entdeckte Satz besagt, dass eine von der Sonne zu einem Planeten gezogene Strecke in gleichen Zeiträumen gleiche Flächen überstreicht. Je weiter also ein Planet von der Sonne entfernt ist, desto langsamer bewegt er sich (zweites keplersches Gesetz). Diese beiden Gesetze veröffentlichte er im 1609 erschienenen Werk Astronomia Nova (Neue Astronomie) bei Gotthard Vögelin in Frankfurt am Main.

De Stella Nova

Kepler beobachtete die Supernova 1604 und veröffentlichte seine Beobachtungen im Jahr 1606 in dem Buch De Stella nova in pede serpentarii, et qui sub ejus exortum de novo iniit, Trigono igneo (‚Vom neuen Stern im Fuße des Schlangenträgers‘). Das Auftauchen dieses „neuen“ Sterns stand im Widerspruch zu der vorherrschenden Ansicht, das Fixsterngewölbe sei auf ewig unveränderlich, und löste heftige Diskussionen in naturphilosophischen Fachkreisen aus.

Dioptrice

Eine der bedeutendsten Arbeiten Keplers war seine Dioptrice. Mit diesem 1611 erschienenen Werk legte Kepler die Grundlagen für die Optik als Wissenschaft. Vorausgegangen war seine Schrift Ad Vitellionem Paralipomena, Quibus Astronomiae Pars Optica Traditur ( „Ergänzungen zu Witelo, in denen der optische Teil der Astronomie fortgeführt wird“, 1604), in der er frühere Vorstellungen über die Ausbreitung und Wirkung von Lichtstrahlen grundlegend änderte. Nicht vom Auge gehe ein Kegel aus, dessen Basis den Betrachtungsgegenstand umfasst, sondern von jedem Punkt des Objektes gehen Strahlen in alle Richtungen – einige davon erreichen durch die Pupille das Augeninnere. Ebenso wie Lichtstrahlen auf dem Weg von den Gestirnen zur Erde durch die Lufthülle abgelenkt werden (atmosphärische Refraktion), werden sie in dem noch dichteren Medium der Augenlinse gebrochen und damit gebündelt. Damit hatte Kepler eine Erklärung für Kurzsichtigkeit und auch für die Wirkung einer Lupe oder Brille gegeben. Die Erfindung des Kepler-Fernrohres erscheint fast als ein Abfallprodukt seiner tiefgreifenden Erkenntnisse zur Brechung des Lichtes und der optischen Abbildung.

Die Veröffentlichung der Dioptrice war die mittlere in einer Serie von drei Abhandlungen, die er als Antwort auf Galileis Sidereus Nuncius verfasste. In der ersten spekulierte Kepler, ob die Bahnen der Galileischen Monde gleichfalls in platonische Körper passen. Eine dritte Abhandlung betraf seine eigenen Beobachtungen der Jupitermonde und stützte Galileis Schlussfolgerungen. Dieser schrieb darauf zurück: „Ich danke Ihnen – weil Sie der Einzige sind, der mir Glauben schenkt.“ Dem fortschrittlichen Kepler gelang es nicht, als Professor in seiner Studienheimat Tübingen Fuß zu fassen.

Stereometria

In Linz beschäftigte sich Kepler ab 1612 mit einem rein mathematischen Problem, dem Rauminhalt von Weinfässern. Weinhändler bestimmten diesen nach Faustregeln. Kepler entwickelte eine in der Antike gebräuchliche Methode weiter und setzte damit die Grundlagen für die weitergehenden Überlegungen von Bonaventura Cavalieri und Evangelista Torricelli. Die später so genannte keplersche Fassregel machte er 1615 unter dem Titel Stereometria Doliorum Vinariorum („Stereometrie der Weinfässer“) bekannt.

Harmonice mundi

Nach intensivem Studium der Daten zur Umlaufbahn des Mars entdeckte Kepler am 15. Mai 1618 das dritte der nach ihm benannten Gesetze, welches er in dem im Jahr 1619 veröffentlichten Werk Harmonices mundi libri V („Fünf Bücher zur Harmonik der Welt“, kurz Weltharmonik) erläuterte. Danach ist das Verhältnis der dritten Potenz der großen Halbachse der Bahnellipse eines Planeten, d, zum Quadrat seiner Umlaufzeit stets unveränderlich: d3 / T2 ist für alle Planeten gleich (drittes keplersches Gesetz).

Planet T d T2 d3 T2 / d3
Merkur 0,241 0,387 0,058081 0,057960603 1,002077221
Venus 0,615 0,723 0,378225 0,377933067 1,000772446
Erde 1 1 1 1 1
Mars 1,881 1,524 3,538161 3,539605824 0,999591812
Jupiter 11,863 5,203 140,730769 140,8515004 0,999142846
Saturn 29,458 9,555 867,773764 872,3526289 0,994751131

T = siderische Umlaufzeit in trop. Jahren d = große Halbachse in astronomischen Einheiten (Abstand Erde–Sonne)

Kepler sprach in diesem Werk von einem harmonischen Gesetz. Er glaubte, dass es eine musikalische Harmonie enthülle, die der Schöpfer im Sonnensystem verewige. „Ich fühle mich von einer unaussprechlichen Verzückung ergriffen ob des göttlichen Schauspiels der himmlischen Harmonie. Denn wir sehen hier, wie Gott gleich einem menschlichen Baumeister, der Ordnung und Regel gemäß, an die Grundlegung der Welt herangetreten ist.“ Keplers Anschauungen entsprachen dem, was heute als anthropisches Prinzip bezeichnet wird. In einem weiteren Manuskript beschrieb er eine Zusammenstellung von Übereinstimmungen zwischen der Bibel und wissenschaftlichen Sachverhalten. Wegen des Drucks der Kirche konnte er diesen Aufsatz nicht veröffentlichen.

Der Komponist Paul Hindemith vertonte Johannes Keplers Leben und seine Lehre von der „Harmonie der Sphären“ im Jahr 1957 in der Oper „Die Harmonie der Welt“.

Weitere Werke

Zwischen 1618 und 1621 verfasste er Epitome Astronomiae Copernicae („Abriss der kopernikanischen Astronomie“), das seine Entdeckungen in einem Band zusammenfasste. Es ist das erste Lehrbuch des heliozentrischen Weltbildes.

Ein weiterer Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte war Keplers Vorhersage eines Venustransits durch die Sonnenscheibe für das Jahr 1631. Es war dies die erste – und korrekte – Berechnung eines solchen Ereignisses. Dafür konnte er seine zuvor entdeckten astronomischen Gesetze verwenden. Den von ihm berechneten Durchgang konnte er allerdings nicht mehr selbst beobachten; acht Jahre später war Jeremiah Horrocks dabei erfolgreich.

Zur Kristallographie

Neben den astronomischen Untersuchungen verfasste Kepler einen Aufsatz zur Symmetrie von Schneeflocken. Er entdeckte, dass natürliche Kräfte – nicht nur in Schneeflocken – das Wachstum regulärer geometrischer Strukturen bewirken. Konkret bemerkte er, dass zwar jede Schneeflocke ein einzigartiges Gebilde ist, andererseits Schneeflocken bei einer Drehung um jeweils 60 Grad ihr Aussehen behalten (sechszählige Symmetrie).

Dies führte Kepler zu Berechnungen der maximalen Dichte von Kreisanordnungen und Kugelpackungen. Diese frühen Arbeiten fanden in der Neuzeit unter anderem Anwendung in der Kristallographie sowie in der Kodierungstheorie, einem Teilgebiet der Nachrichtentechnik. Kepler vermutete, dass die dichteste Art, Kugeln aufzustapeln, darin besteht, sie pyramidenförmig übereinander anzuordnen. Dieses zu beweisen versuchten Mathematiker 400 Jahre lang vergeblich. Am 8. August 1998 kündigte der Mathematiker Thomas Hales einen Beweis für Keplers Vermutung an. Auf Grund der Komplexität des Computerbeweises steht eine endgültige Überprüfung trotz jahrelanger Bemühungen angesehener Gutachter noch aus.

Mathematische Arbeiten

Der Gedanke logarithmischen Rechnens findet sich sehr früh (1484) bei dem Franzosen Nicolas Chuquet und dann, etwas weiter entwickelt, bei Michael Stifel (1486–1567) in seiner Arithmetica integra, die 1544 in Nürnberg erschien. An ein praktisches Rechnen mit Logarithmen konnte man jedoch erst nach der Erfindung der Dezimalbrüche (um 1600) denken. An der Erfindung der Dezimalbrüche und ihrer Symbolik war der Schweizer Mathematiker Jost Bürgi (1552–1632) stark beteiligt. Dieser berechnete auch zwischen 1603 und 1611 die Logarithmentafel. Da er diese aber trotz mehrfacher Aufforderung durch Johannes Kepler, mit dem er in Prag wirkte, erst 1620 unter dem Titel „Arithmetische und Geometrische Progresstabuln“ veröffentlichte, kam ihm der schottische Lord John Napier (auch Neper) (1550–1617) zuvor. Nachdem Kepler klar geworden war, welche Vereinfachung die neue Rechenmethode für die umfangreichen und zeitraubenden astronomischen Rechenarbeiten mit sich brachte, setzte er alles daran, das Verfahren zu popularisieren und für einen weiten Interessentenkreis zu erschließen. Er übernahm jedoch das neue Verfahren nicht wie es vorlag, nämlich ohne Angaben Napiers, wie dieser zu seinen Zahlen gekommen war. Dadurch wirkten die Tafeln unseriös, und viele Wissenschaftler zögerten, sie anzuwenden. Um diesen Vorurteilen zu begegnen, schrieb Kepler 1611 eine weit über Napier hinausgehende Erklärung des Logarithmen-Prinzips und überarbeitete die Tafel vollständig. Philipp III. von Hessen-Butzbach ließ 1624 Johannes Keplers Chilias logarithmorum in Marburg drucken.

Als Mathematiker tat sich Kepler noch durch seine Behandlung der allgemeinen Theorie der Vielecke und Vielflächner hervor. Mehrere bis dahin unbekannte Raumgebilde entdeckte und konstruierte er völlig neu, unter anderem das regelmäßige Sternvierzigeck. Von Johannes Kepler stammt auch die Definition des Antiprismas.
Während seiner Linzer Zeit erfand er außerdem durch das Studium der Berechnung der Volumina von Weinfässern, die so genannte Keplersche Fassregel, diese ermöglicht näherungsweise die Ermittlung von nummerischen Integralen.

Technische Erfindung

Zu einer bedeutenden, aber wenig gewürdigten Erfindung führte eine andere Gelegenheitsarbeit, zu der Kepler durch Gespräche mit einem Bergwerksbesitzer angeregt wurde. Dabei ging es um die Entwicklung einer Pumpe, mit der Wasser aus Bergwerksstollen herausgehoben werden sollte. Nach fehlgeschlagenen Experimenten kam Kepler der Gedanke, zwei in einen Kasten angebrachte „Wellen mit je sechs Hohlkehlen“, also Zahnräder mit abgerundeten Ecken, mit einer Kurbel anzutreiben, so dass die Radhöhlungen das Wasser nach oben beförderten. Er hatte eine ventillose und daher fast wartungsfreie Zahnradpumpe erfunden, die heute in prinzipiell gleichartiger Form in Automotoren als Ölpumpe eingebaut wird.

Tabulae Rudolfinae

Gegen Ende seines turbulenten Lebens veröffentlichte Johannes Kepler im Jahre 1627 in Ulm sein letztes großes Werk, die Tabulae Rudolfinae (Rudolfinische Tafeln). Es wertete die Aufzeichnungen Tycho Brahes aus und beschrieb die Positionen der Planeten mit bis dahin unerreichter Genauigkeit. Die mittleren Fehler waren darin auf etwa 1/30 der bisherigen Werte reduziert. Diese Planetentafeln sowie seine im Epitome dargelegten himmelsmechanischen Gesetze bildeten die überzeugendste Argumentationshilfe der zeitgenössischen Heliozentriker und dienten später Isaac Newton als Grundlage zur Herleitung der Gravitationstheorie.

Somnium

Im gleichen Jahr, in dem Kepler seine ersten zwei Gesetze veröffentlichte (1609), schrieb er auch ein Buch mit dem Titel Somnium (‚Der Traum‘). Das Somnium hatte eine Entstehungsgeschichte von 40 Jahren. Bereits 1593, als er Student in Tübingen war, wählte Kepler zum Thema einer der geforderten Disputationen, wie die Vorgänge am Firmament sich wohl auf dem Mond ausnähmen. Sein Ziel war damals, einen Parallelismus aufzuzeigen: Wie wir die Rotation der Erde und ihre Bewegung um die Sonne nicht spüren, aber den Mond seine Bahn ziehen sehen, könne ein lunarer Beobachter glauben, der Mond stehe still im Raum, und die Erde würde sich drehen. Mit fiktiven astronomischen Betrachtungen vom Mond aus, verfremdet als Bericht eines raumreisenden Geistes, wollte Kepler das von ihm weiterentwickelte kopernikanische Weltbild populär machen, er wollte versuchen, die Leser von der Meinung abzubringen, weiterhin in der Erde das Zentrum alles Menschlichen und Göttlichen zu sehen. Die märchenhafte Erzählung wurde erst postum von seinem Sohn Ludwig veröffentlicht und erst 1889 von Ludwig Günther ins Deutsche übersetzt. Kepler verschafft seiner Darstellung der astronomischen und geologischen Gegebenheiten des Mondes eine märchenhafte Rahmenhandlung. Der erzählende Autor fällt in Schlaf und träumt die Reise zum Mond, die durch einen Regenschauer am Morgen abrupt unterbrochen wird. Kepler war damals bereits klar, dass es zur Überwindung der irdischen Gravitation einer starken Kraft, gleich einem Schuss, bedürfe, dass der Mensch dabei großen Kräften ausgesetzt ist, und dass er dann in die Schwerelosigkeit fällt. Er dachte sich große Temperaturunterschiede auf dem Mond, Hitze während des Mondtags und Eis und Stürme während der Mondnacht. Und er dachte sich Leben auf dem Mond in Gestalt von Tieren, die sich den unwirtlichen Lebensbedingungen perfekt angepasst haben. Man kann Somnium als erste Science-Fiction-Erzählung bezeichnen, die so realistisch wie (zu ihrer Entstehungszeit) möglich eine Mondfahrt beschreibt.

Mystizismus, Astrologie und Wissenschaft

Am Beginn Keplers Überlegungen zu den Planetenbahnen stand die „Erleuchtung“, die Abstände der fünf Planeten von der Sonne entsprächen genau ein- und umgeschriebenen Kugeln zu den fünf platonischen Körpern. Als er rechnerisch weitgehende Übereinstimmung fand, war er sicher, mittels Mathematik und Beobachtung den Bau (die „Architektur“) des Alls enthüllt zu haben.

Als Kepler im Jahr 1604 die Supernova 1604 beobachtete, sah er auch darin die Vorsehung am Werk: er stellte sie nicht nur in Zusammenhang mit der Konjunktion von Jupiter und Saturn (1603) und vermutete, der neue Stern sei durch diese ausgelöst worden. Er behauptete, Gleiches habe sich beim Erscheinen des Sterns von Bethlehem ereignet: Auch dieser sei in Folge einer großen Planetenkonjunktion sichtbar geworden (erste naturwissenschaftliche Stern-von-Bethlehem-Theorie). In gleicher Weise sei nunmehr (1604) die Wiederkunft des Herrn nicht mehr fern.

Bereits sein Werk De fundamentis … von 1601 zeigt seine genaue Kenntnis der Astrologie. Diese blieb bis an sein Lebensende ein wesentlicher Teil seiner naturphilosophischen Beschäftigung.

Ein Forscher, der solch „dunkle“ Lehren zur Grundlage seiner naturwissenschaftlichen Untersuchungen machte, musste einem Rationalisten wie Galilei zwielichtig erscheinen. Mit Galilei wechselte er zwar öfter Briefe, dieser jedoch hielt nicht viel von Keplers „fernwirkenden Kräften“ und esoterischen „Harmonien“. So war das Verhältnis zwischen den beiden – manchen fachlichen Übereinstimmungen zum Trotz – eher gespannt, was besonders in Keplers gleichzeitiger Korrespondenz mit Matthias Bernegger zum Ausdruck kommt.

Kepler aber befand sich im 17. Jahrhundert in bester Gesellschaft: noch Isaac Newton zeigte von seiner Studienzeit bis ins hohe Alter starkes Interesse an qualitativer Naturphilosophie (einschließlich Alchemie) und gelangte so zu seinen entscheidenden Überlegungen zur Schwerkraftwirkung der Massen.

Mystizismus

Kepler entdeckte die Planetengesetze, indem er Pythagoras’ Ziel, das Auffinden der Harmonie der Himmelssphären, zu vollenden suchte. In seiner kosmologischen Sicht war es kein Zufall, dass die Anzahl der regelmäßigen Polyeder um eins kleiner war als die Anzahl der bekannten Planeten. Er versuchte zu beweisen, dass die Abstände der Planeten von der Sonne durch Kugeln innerhalb regulärer Polyeder gegeben waren.

In seinem 1596 veröffentlichten Buch Mysterium Cosmographicum (Das Weltgeheimnis) versuchte Kepler, die Bahnen der damals bekannten fünf Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn mit der Oberfläche der fünf platonischen Körper in Beziehung zu setzen. Die Umlaufbahn des Saturns stellte er sich dabei als Großkreis auf einer Kugel vor – noch nicht als Ellipse, die einen Würfel (Hexaeder) umschließt. Der Würfel umschließt wiederum eine Kugel, welche die Jupiterbahn beschreiben soll (siehe Abbildung). Diese Kugel wiederum schließt ein Tetraeder ein, das die Marskugel umhüllt. Diese Arbeit war nach Keplers Entdeckung des ersten nach ihm benannten Gesetzes – spätestens aber nach der Entdeckung entfernterer Planeten – nur noch von historischem Interesse.

In seinem 1619 erschienenen Werk Harmonice mundi (Weltharmonik) stellte er ebenso wie im Mysterium Cosmographicum eine Verbindung zwischen den platonischen Körpern und der klassischen Auffassung der Elemente her. Das Tetraeder war die Form des Feuers, das Oktaeder das Symbol der Luft, der Würfel das der Erde, das Ikosaeder symbolisierte das Wasser, und das Dodekaeder stand für den Kosmos als Ganzes oder den Äther. Es gibt Beweise, dass dieser Vergleich antiken Ursprungs war, wie Plato von einem gewissen Timaeus von Locri erklärt, der sich das Universum vorstellte wie durch ein gigantisches Dodekaeder umgeben, während die anderen vier Körper die „Elemente“ des Feuers, der Luft, der Erde und des Wassers darstellen. Zu seiner Enttäuschung scheiterten alle Versuche Keplers, die Bahnen der Planeten innerhalb eines Satzes von Polyedern anzuordnen. Ein Zeugnis seiner Integrität als Wissenschaftler ist es, dass er die Theorie, an deren Beweis er so hart gearbeitet hatte, verwarf, als die Einsicht gegen sie sprach.

Sein größter Erfolg kam von der Entdeckung, dass sich die Planeten auf Ellipsen und nicht auf Kreisen bewegen. Diese Entdeckung war eine direkte Konsequenz seines gescheiterten Versuchs, die Planetenbahnen in Polyedern anzuordnen. Keplers Bereitschaft, seine am meisten geschätzte Theorie angesichts genau beobachtbarer Beweise zu verwerfen, zeugt von seiner sehr modernen Auffassung von wissenschaftlicher Forschung. Kepler machte auch große Fortschritte, indem er versuchte, die Planetenbewegung auf eine Kraft, die dem Magnetismus ähnelte, zurückzuführen, die Anima motrix. Diese Kraft ging, wie er glaubte, von der Sonne aus. Obwohl er die Gravitation nicht entdeckte, scheint er als erster versucht zu haben, ein empirisches Gesetz anzuwenden, um die Bewegung sowohl der Erde als auch der Himmelskörper zu erklären.

Astrologie

Kepler war davon überzeugt, dass bestimmte Konstellationen der Himmelskörper den Menschen beeinflussen können wie das Wetter. Er versuchte zu entdecken, wie und warum das so war und wollte die Astrologie auf eine gesicherte Basis stellen. In einer Veröffentlichung De Fundamentis Astrologiae Certioribus („Über zuverlässigere Grundlagen der Astrologie“) von 1601 legte Kepler dar, wie die Astrologie auf sicherer Grundlage ausgeübt werden könne, indem man sie auf neue naturwissenschaftliche Grundlagen in Verbindung mit dem pythagoreischen Gedanken der Weltharmonie stellt. Auch dies war ein Affront gegen die konservativen Zeitgenossen, die der ptolemäischen Astronomie den Vorzug gaben.

Kepler trat dafür ein, dass sich eine bestimmte Beziehung zwischen himmlischen und irdischen Ereignissen feststellen lässt. Mehr als 800 Horoskope und Geburtskarten, die von Kepler gezeichnet wurden, sind erhalten. Einige betreffen ihn selbst oder seine Familie, versehen mit wenig schmeichelhaften Bemerkungen. Als Teil seiner Aufgabe als Landschaftsmathematiker in Graz erstellte Kepler eine Prognose für 1595, in der er schwere Aufstände, den Türkeneinfall und bittere Kälte voraussagte. All dies trat ein und brachte ihm die Anerkennung seiner Zeitgenossen ein.

In einer Schrift von 1610 warnt Kepler Theologen, Mediziner und Philosophen „bei billiger Verwerfung des sternguckerischen Aberglaubens, das Kind mit dem Bade auszuschütten“. Er verachtete Astrologen, die dem Geschmack des gemeinen Mannes hörig waren, ohne Kenntnis der abstrakten und allgemeinen Gesetze. Er sah es jedoch als eine legitime Möglichkeit an, Prognosen zu erstellen, um sein mageres Einkommen aufzubessern. Doch wäre es falsch, Keplers astrologische Interessen als rein auf Geldstreben ausgerichtet abzutun. Der Historiker John North sagte dazu: „Wäre er kein Astrologe gewesen, wäre er sehr wahrscheinlich an der Aufgabe gescheitert, seine Planeten-Astronomie in der Form wie wir sie heute kennen zu entwickeln.“

Schon 1608 hatte Kepler Wallenstein ein Horoskop gestellt. Es ist erhalten geblieben und enthält unter anderem ein für Wallenstein nicht gerade schmeichelhaftes Charakterbild. Wie zum Trost fügt Kepler hinzu: „Es ist aber das Beste an dieser Geburt, daß Jupiter darauf folget und Hoffnung machet, mit reifem Alter werden sich die meisten Untugenden abwetzen und also diese seine Natur zu hohen, wichtigen Sachen zu verrichten tauglich werden.“

Wallenstein war kaum 25 Jahre alt, als er diese erste Horoskopdeutung entgegennahm. Er überprüfte sie im Laufe der Jahre vielfach und versah sie eigenhändig mit Anmerkungen. Später, im Jahr 1624, trug Wallenstein erneut durch den Oberstleutnant Gerard von Taxis an Kepler die Bitte heran, nach geänderter Geburts-Horoskop-Berechnung eine zweite Ausdeutung zu geben. Im Januar 1625 kam Kepler diesem Wunsch nach und unterzog Wallensteins erstes Horoskop einer gründlichen Revision.

Wallenstein war bekanntlich astrologiegläubiger als Kepler. Ihm lag daran, bis in die Einzelheiten den Lauf seines Schicksals auf dem Vorwege zu erfahren. Kepler sollte ihm sagen, was ihm in jedem Jahr als Glück und Unglück zustoßen würde, wie lange der Krieg noch dauern, ob er zu Hause oder in der Ferne sterben und welches seine Todesursache, etwa ein Schlaganfall, sein würde, wer seine verborgenen und öffentlichen Feinde seien. Kepler betonte in seinem zweiten Horoskop-Gutachten, dass er dieses als Philosoph, das heißt, als nüchtern denkender Mensch, verfasst habe und nicht aus der Stimmung der im Aberglauben verhafteten Volksastrologie. Entschieden wehrte er sich gegen Wallensteins Wunsch, bis in die Einzelheiten, zeitlich festgelegt, sein Schicksal im Voraus zu erfahren. Nach Keplers präziser Auffassung war dies unmöglich. Das ganze Gutachten ist durchzogen von Warnungen vor dem astrologischen Fatalismus. Es ist eine einzige Unterbauung von Keplers Grundthese: „Die Sterne zwingen nicht, sie machen nur geneigt“.

Kepler räumte der menschlichen Willkür die Möglichkeit ein, himmlische Zwänge zu durchbrechen und von dem astrologisch vorgezeichneten Weg abzuweichen. „Fast nie wirkt nach ihm der Himmel allein, sondern der Geborene und andere, mit welchen er es zu tun hat, tun viel und fangen viel aus freier Willkür an, was sie auch wohl hätten unterlassen können und wozu sie vom Himmel nicht gezwungen wären.“ Unmissverständlich wies er mit scharfen Worten das Ansinnen Wallensteins zurück, dessen konkrete Fragen wie nach der Todesursache aus dem Horoskop vorauszusagen.

Wallenstein hatte sich diese erneute Maßregelung durch Kepler im Jahre 1625 gefallen lassen, wahrscheinlich auch dessen geistige Überlegenheit empfunden. Im Jahre 1628, als Kepler weder ein noch aus wusste, trat Wallenstein erneut auf den Plan. Der Gedanke, den großen Astrologen und Astronomen an sich zu fesseln, bestach ihn. Er hatte zwar seinen eigenen Hausastrologen, den Italiener Giovanni Battista Seni, aber dieser reichte auch nicht von ferne an das heran, was sich Wallenstein von Kepler versprach. So kam es mit Billigung Ferdinands II. dazu, dass Wallenstein Kepler das Angebot machte, ganz in seine Dienste zu treten.

Würdigungen

Da Kepler sich einige Zeit in Linz aufhielt, wurde 1975 die dortige Universität ihm zu Ehren Johannes-Kepler-Universität genannt. Weiter erhielten die Sternwarten in Weil der Stadt, Graz und Linz den Namen Kepler-Sternwarte. In Wien wurden die Keplergasse und der Keplerplatz nach ihm benannt, in Regensburg die Keplerstraße, in der noch heute sein Wohnhaus steht. In zahllosen Städten tragen Schulen und Straßen seinen Namen.

Darüber hinaus wurden nach Kepler benannt: ein großer Mondkrater mit hellem Strahlensystem, der Asteroid (1134) Kepler, das NASA-Weltraumteleskop Kepler sowie das zweite Automated Transfer Vehicle der ESA seinen Namen. Paul Hindemith setzte ihm mit seiner 1957 vollendeten Oper Die Harmonie der Welt ein musikalisches Denkmal. Die Oper Kepler von Philip Glass, ein Auftragswerk für Linz 2009 – Kulturhauptstadt Europas, wurde am 20. September 2009 in Linz uraufgeführt. Eine Büste Keplers wurde in die Walhalla aufgenommen. Am 21. Oktober 2009 gab die Tschechische Nationalbank eine 200-Kronen-Gedenkmünze zu seinen Ehren heraus. Ein Grafikprozessor der Firma Nvidia trägt den Codenamen Kepler[4].

In Keplers Heimatort Weil der Stadt wurde ihm zu Ehren 1870 ein Denkmal errichtet, auf dem verschiedene Szenen aus Keplers Leben dargestellt sind.

Zitate

„Ist es nicht ein Aberglauben, daß ein Astrologus künftige Particularsachen und kommende Erscheinungen aus den Sternen voraussehen könne […]? Ich muß Euch den Wahn benehmen, als wäre es möglich, solche Dinge vorauszusehen. Zunächst mag es wohl wahr sein, daß aus dem Himmel zwar himmlische Erscheinungen folgen, nicht aber irdische, denn alle irdischen Wirkungen nehmen ihren Ausgang aus irdischen Ursachen. Darum ist es ein irriger Wahn, daß man meinen will, es sollten Geschehnisse, welche meist aus der Menschen willkürlichen Werken erfolgen, auf gewisse ausgerechnete himmlische Konstellationen zurückzuführen und aus diesen zu berechnen sein!“

aus einem 1625 verfassten Brief Keplers an Wallenstein, zit. n. Otto Zierer, Bild der Jahrhunderte, Bd. 15, Entfesselte Gewalten: 1600–1700 n. Chr., S. 55

„Obschon ich von derlei Regulas wirklich nichts halte, muß ich mich als Komödiant brauchen lassen. Es gibt viele junge Astrologen, die Lust und Glauben zu einem solchen Spiel haben. Wer gern mit sehenden Augen will betrogen werden, der bedient sich ihrer Mühe und Kurzweil.“

Brief Keplers über seine Meinung zur Astrologie, zit. n. Otto Zierer, Bild der Jahrhunderte, Bd. 15, Entfesselte Gewalten: 1600–1700 n. Chr., S. 55

„Wer aber soll hausen in jenen Welten, wenn sie bewohnt sein sollten? Sind wir oder sie die Herren des Alls? Und ist dies alles dem Menschen gemacht?“

„Quippe mihi non multo minus admirandae videntur occasiones, quibussi homines in cognationem rerum coelestium deveniunt; quam ipsa Natura rerum coelestium.“

„Mir kommen die Wege, auf denen die Menschen zur Erkenntnis der himmlischen Dinge gelangen, fast ebenso bewunderungswürdig vor, wie die Natur der Dinge selber.“

– Argumenta singulorum capitum, «Astronomia Nova», 1609. In: Kepler Gesammelte Werke, Band III, S.47, Zeile 19–21.

„Die Geometrie ist einzig und ewig, ein Widerschein aus dem Geiste Gottes. Dass die Menschen an ihr teilhaben, ist mit eine Ursache dafür, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist.“

Dissertatio cum Nuntio Siderio, zit. n. M. Caspar: J. K. (1995), S. 106

„Gib mir Schiffe oder richtige Segel für die Himmelsluftfahrt her und es werden auch Menschen da sein, die sich vor den entsetzlichen Weiten nicht fürchten.“

– Kepler an Galilei

„Ich fühle mich von einer unaussprechlichen Verzückung ergriffen ob des göttlichen Schauspiels der himmlischen Harmonie […]. Denn wir sehen hier, wie Gott gleich einem menschlichen Baumeister, der Ordnung und Regel gemäß, an die Grundlegung der Welt herangetreten ist.“

– Harmonices mundi libri V

Quelle: www.wikipedia.de, Stichwort „Johannes Kepler“